Ziegeleimuseum jetzt in zarten Händen: Buchautorin, Malerin, Musikerin
Ziegeleimuseum | |
Christiane Sellner | |
Telefon: | 01 77/3 88 63 20 |
Website: | www.ziegeleimuseum-glindow.de |
Verliebt in Steine
Stand: Juli 2020
Liebe per Internet, ist das wirklich möglich? Eine überaus skeptische Wissenschaftlerin erlebte, dass dies sehr gut funktioniert. Denn genau das brachte die neue Leiterin des überregional bekannten Ziegeleimuseums in ihre neue Heimat!
Allerdings ist die neue Liebe von Christiane Sellner relativ groß, ziemlich eckig, wenig
kuschelig und meist eher kühl: Die Autorin, Malerin und Musikerin hatte sich in eine Wand verliebt! Genauer gesagt, in die Fassade eines Wohnhauses, in dem sie jetzt im Herzen von Glindow wohnt: „Als ich im
Internet dieses Haus gesehen habe, war es um mich geschehen“, gesteht sie. So kam es, dass die gebürtige Hamburgerin, die in Franken aufgewachsen ist und „im Schatten vom Großen Arber“ Fachbücher über die Bayerischen Glashütten schrieb, seit 2014 Glindowerin ist.
Das Geheimnis der Berge
Die Leidenschaft für Steine kann sie nun als Vorsitzende des Vereins, der das Ziegeleimuseum trägt, jeden Tag ausleben. „Es gibt hier noch eine Menge zu tun“, zeigt sie bei
einem Rundgang durch das markante Gebäude. Dabei kennt sie mittlerweile jeden Stein, der hier ausgestellt ist, mit seiner ganzen Geschichte. Sie präsentiert „gewöhnliche“ Ziegel, kompliziert geformte Elemente für gotische Kreuzgewölbe vom Kloster Chorin, Spezialanfertigungen für
Kathedralen oder kunstvolle Abschlussziegel. Dabei weiß sie oft mehr über die Hintergründe, als bisher bekannt war: „Es ging lange Zeit das Gerücht um, dass die Erhöhungen wie die ‚Glindower
Alpen‘ aus dem Abraum der Tongruben aufgehäuft worden sind. Schließlich war der Glindower See damals von unzähligen Ziegeleien gesäumt,
wie zeitgenössische Postkarten zeigen. Doch können die soviel Abraum erzeugen? Also habe ich bei Theodor
Fontane nachgelesen, wieviele Ziegel pro Jahr fabriziert
wurden und habe dies hochgerechnet. Dabei hätten statt Berge riesige Krater entstehen müssen! Die Erhebungen sind nach Meinung von Geologen in der Eiszeit entstanden.“
Museum in Gefahr
Ohne die Neu-Glindowerin hätte die Region wahrscheinlich ein wichtiges Wahrzeichen verloren: Nach dem Tod des früheren Vorsitzenden Wolfgang Firl und dem Rückzug zweier führender Mitglieder aus Altersgründen drohte der „Förderverein Historische Ziegelei Glindow e.V.“ führungslos zu werden. „Auf der entscheidenden Sitzung im Winter 2018 war niemand bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Das lag mit an der Altersstruktur, die wir damals hatten. Ohne Vorsitzenden hätte der Verein aufgelöst werden müssen.“
Die Diplom-Ingenieurin für Werkstoffwissenschaft, die parallel Kunst studiert hatte, übernahm diese Aufgabe. „Vorher hatte ich einen Sommer lang Ringofen-Führungen gemacht und wusste also, was auf mich zukommt“, erklärt sie.
Keine Spaß-Touristen
Dabei ist sie voll des Lobes über das Publikum: „Ich hatte in Bamberg oft Stadtführungen beobachtet. Meist kamen Spaß-Touristen per Bus. Die wollten in der Regel nur ihr Pensum hinter sich bringen,
Pflichtfotos machen und möglichst schnell ins Gasthaus zum fränkischen Bier. Nach Glindow kommen fast nur fachlich interessierte
Besucher. Sehr oft sind das Gruppen aus den Universitäten von Berlin und Potsdam. 2019 hatten wir einen erheblichen Besucheranstieg.“
Musik und Malen
Beim Engagement fürs Glindower Ziegeleimuseum kann Christiane Sellner auf viel Welterfahrung zurückgreifen. So erinnert sie sich gern, noch vor der eigentlichen Wende Moskau erkundet zu haben. „Die Künstler dort
waren auf dem gleichen Stand wie wir im Westen.
Davon hatten wir bei uns nie etwas erfahren“, hatte sie
staunend herausgefunden, dass die Informationspolitik in der damaligen BRD sehr einseitig war. In der Folge stellte sie eine Brücke zwischen beiden Ländern dar, lernte dafür sogar russisch. Sie managte Musiker und Maler, damit sie „im Westen“ Fuß fassen konnten. Über Jahre betrieb sie im früheren „Zonenrandgebiet“ an der tschechischen Grenze eine kommunale Kunst-Galerie.
Als Klavierlehrerin mit
Vorliebe für Ludwig van Beethoven und russische Komponisten pendelte sie nach dem Umzug jede Woche zwei Tage nach Bamberg.
Große Pläne
Jetzt hilft sie mit, das Ziegeleimuseum im Rahmen des Projekts „Museum digital“ weltweit zugänglich zu
machen. „Daran können 20 Museen in Brandenburg mit jeweils zehn Exponaten teilnehmen“, schildert sie.
Nächstes Ziel ist, Glindow als Meilenstein ins themenübergreifende Netzwerk
„Industriekultur in Brandenburg“ einzubringen.
Die Liebe zu alten Steinen kann sie übrigens im eigenen Garten ebenfalls genießen: „Dort bin ich beim Umgraben auf ein Fundament aus
Ziegeln gestoßen und konnte recherchieren, dass von
früher die Radspuren der Kutschen noch erkennbar sind!“ Erstaunlich, diese
Liebe zur Historie: „In der Schule war für mich Geschichte ein rotes Tuch, weil es da nur um Kriege ging!“